Der deutsche Export von militärischen Gütern ins Ausland geht seit 2017 stetig zurück, allein 2020 sanken die Einnahmen um mehr als ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr. Grund dafür ist ein seit 2019 gefahrener restriktiver Kurs der Bundesregierung bei Lieferungen in Staaten außerhalb der Europäischen Union und der Nato, der unter anderem dazu geführt hat, dass Saudi-Arabien bis mindestens Ende 2021 keine Waffenlieferungen von deutscher Seite zu erwarten hat.

Dennoch reißt eine Diskussion um Deutschlands Rolle in der Rüstungsexportpolitik nicht ab. Dabei geht es allerdings nicht nur darum, dass die Bundesrepublik weiterhin fragwürdige Lieferungen in Nicht-EU-Staaten wie Ägypten, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate ausführt , vielmehr sind auch innereuropäische Praktiken immer wieder Teil der Debatte. Besonders im Blickpunkt ist hier die Türkei, die sich aufgrund verschiedener schwelender Auseinandersetzungen in der Nahost-Region wieder einmal auch in das deutsche Sichtfeld begeben hat. Syrien, Libyen, Armenien – die türkische Militärpräsenz nimmt insgesamt immer weiter zu, parallel kann die Bewahrung der Menschenrechte von türkischer Seite im In- und Ausland mindestens in Frage gestellt werden. 

Für Deutschland ist aber speziell der Konflikt der Türkei mit Griechenland als weiteres Nato-Mitglied von hoher Bedeutung. Grund dafür ist, dass die beiden Parteien ihn vor allem auf dem Mittelmeer austragen, wo Seegrenzen und Erdgaskontingente ausgefochten werden. Deutschland nimmt dort deshalb eine signifikante Position ein, weil gerade jetzt ein Deal über die Bühne gehen soll, der im Jahre 2009 eingefädelt wurde: die Lieferungen mehrerer U-Boote an den Nato-Partner Türkei. 

Während die Bundesregierung bisher auf die Einhaltung geschlossener Verträge verwies, forderten die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke einen Exportstopp, auch um eine zu starke deutsche Einflussnahme in der Auseinandersetzung zu verhindern. In die Bundestagsdebatte brachten beide Fraktionen einen gemeinsamen sowie jeweils einen eigenen Antrag ein. Der Export von U-Booten an die Türkei und ein mögliches Waffenembargo von deutscher Seite sind die Themen im dieswöchigen Recap.

Die Debatte wurde von Katja Keul von den Grünen eröffnet, die gleich zu Beginn das Kriegswaffenkontrollgesetz heranzog. Sie betonte, dass dieses der Bundesregierung erlaube, bei Waffenexporten bereits erteilte Genehmigungen zurückzuziehen, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedenstörenden Handlung verwendet werden. Dieser Fall sei in dem Konflikt mit Griechenland eingetreten, die aktuellen türkischen Praktiken bezeichnete sie als eine „maritime Eskalationsstrategie im östlichen Mittelmeer“. Dafür spreche unter anderem eine Kollision mit einem griechischen Schiff, für das die türkische Seite verantwortlich gewesen sei. Eine weitere Unterstützung der Türkei anhand von U-Boot-Lieferungen würde folglich einer „sicherheitspolitischen Kamikaze“ der Bundesregierung gleichkommen, da so die Verhandlungsposition Griechenlands in den geplanten Gesprächen zwischen beiden Staaten geschwächt werde. Keul forderte die Bundesregierung daher abschließend nicht nur zu einer Aufhebung der Genehmigung auf, sie riet für die Zukunft zu einer allgemein wohler überlegten Rüstungsexportpolitik.

Sowohl Klaus-Peter Willsch als auch Gisela Manderla von der CDU/CSU-Fraktion kritisierten in ihren Beiträgen den falschen Eindruck, der von den beiden antragstellenden Parteien erweckt werde. Die Darstellung Deutschlands als „Rüstungsschmiede der Welt“ sei nicht haltbar, Deutschland praktiziere generell eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik, die sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen könne. Im Folgenden fokussierte sich Willsch speziell auf die Bündnisverpflichtung mit den Nato-Partnern, zu denen die Türkei zwangsläufig gehöre. Auch wenn es in seinen Augen „sympathischere Staaten“ als die Türkei gebe, müsse die Lieferung durchgeführt werden, da ansonsten Deutschlands Bündnisfähigkeit in Frage gestellt werde. Eine weitere Gefahr einer noch strengeren Exportpolitik würde zudem in einer Abwanderung deutscher Rüstungsunternehmen ins Ausland bestehen. Manderla, die die Bundestagsdebatte abschloss, führte ähnliche Argumente wie ihr Fraktionskollege an. Möglicherweise würde Deutschland „heute anders entscheiden als 2009“, dennoch sei die generelle Wichtigkeit der Rüstungsexporte nicht zu unterschätzen, sie dienten als Mittel der militärischen Zusammenarbeit mit strategisch wichtigen Partnern.

In die gleiche Kerbe schlug im weiteren Verlauf auch der AfD-Politiker Lothar Maier, der die Forderung nach einer Aufhebung der bereits erteilten Genehmigung als überzogen deklarierte. Während auch seine Partei der „neo-osmanischen Expansionspolitik“ der Türkei unter Führung Erdoğans kritisch gegenüberstehe, sei eine Aussetzung der nahezu abgeschlossenen Produktion für die Lieferung keine sinnvolle Maßnahme. Eine Durchsetzung der Anträge würde zudem den Eindruck einer generellen Unberechenbarkeit der deutschen Exportpolitik verstärken. Notwendig sei eher eine umfassende Lösung des Nahost-Konflikts, beispielsweise durch eine breit angelegte Nahost-Konferenz.

Welche Maßnahmen auch ergriffen werden mögen, Hagen Reinhold von der FDP schloss in seiner Rede eine mittelfristige Besserung der Lage im östlichen Mittelmeerraum nicht aus. Um die Macht der Türkei nicht weiter zu stärken, sei die Bundesregierung in der näheren Vergangenheit auch schon tätig geworden, so würden seit 2016 Rüstungsexporte in das Land stärker überprüft. Bei dem diskutierten Lieferabkommen handle es sich jedoch um eine langfristige Planung, die nun nicht einfach gekippt werden könne. Die Verpflichtung Deutschlands den Nato-Partnern gegen sei zu groß, um ihnen auf so eine Art und Weise „vor den Kopf zu stoßen“. Ein Abbruch der Verhandlungen würde die Ziele der antragstellenden Fraktionen zudem nicht erfüllen, da die generelle Einführung der Waffen in das Seegebiet dadurch nicht verhindert würde. Der Antrag treibe die Türkei sogar eher „in die Arme von denen“, in denen sie nicht gesehen werden wollten, indem das Land ihre Boote in anderen Ländern produzieren ließe.

Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen hält die momentane deutsche Herangehensweise nichtsdestotrotz für einen „Schlag ins Gesicht aller Demokratinnen und Demokraten“, da die Bundesregierung um jeden Preis am Abkommen mit der Türkei festhalten wolle. Diese Aufrechterhaltung widerspreche nach ihrer Auffassung einer ausgerufenen europäischen Solidarität, gerade die Lieferung von maritimen Waffen bedrohe die Nato-Partner Griechenland und Zypern in der jetzigen Lage besonders. Ein Exportstopp müsse allerdings nicht nur aus diesem Grund durchgesetzt werden, auch die Verwicklung in etliche andere Konflikte wie in Bergkarabach, in Syrien und in Libyen zeige, dass eine „Politik, die auf Menschenrechten und Völkerrecht basiert“, anders aussehe. Die Bundesregierung dürfe die aktuellen Entwicklungen nicht länger ignorieren und müsse die Lieferungen beenden.

Zusammenfassend zeigte sich in der Debatte eine Einigkeit darüber, dass eine generelle Verhandlungsgrundlage mit der Türkei basierend auf dem heutigen Wissen neu diskutiert werden könne, die meisten Parteien stehen allerdings einem möglichen Bündnisbruch kritisch gegenüber. Am Ende der Diskussion wurden zumindest sowohl der gemeinsame Antrag der Fraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke als auch die einzelnen Anträge der Parteien mit großer Mehrheit abgelehnt. 

Somit scheint die Lieferung der U-Boote wie vor über zehn Jahren geplant über die Bühne zu gehen. Welche Rolle Deutschland in der maritimen Auseinandersetzung zwischen der Türkei und Griechenland schlussendlich wirklich einnimmt, bleibt also abzuwarten.