Noch vor einiger Zeit war nicht zwangsläufig absehbar, dass der Elektromobilität die Zukunft der Autobranche gehören wird. Vor dem Launch des ersten Tesla-Modells als der Pionier des E-Autos im Jahre 2008 beispielsweise hatten nur wenige andere Hersteller das Potenzial des elektrischen Antriebs auf dem Radar und beschäftigten sich deshalb höchstens rudimentär mit einer Veränderung ihrer Produktionsstrategien. Doch spätestens seitdem die wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Ausbaus dieses Branchenzweigs eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurden, gesellt sich eine immer größere Zahl von Herstellern zu den Unterstützern der emissionsfreien Technologie. Sicherlich begünstigt durch die generell wachsende Signifikanz einer nachhaltigen Lebensführung für große Teile der Gesellschaft kommen nun immer mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt, einzelne Unternehmen ziehen sich sogar schrittweise aus dem Geschäft mit Verbrenner-Motoren zurück

Parallel entwickelt auch die Politik immer ehrgeizigere Ziele für einen Ausbau des elektrischen Fahrens und hat sich damit voll auf die Strategie E-Mobilität fokussiert. Im November 2019 beschlossenen „Masterplan Ladesäuleninfrastruktur“ die angepeilten Zahlen für den Elektroantrieb im Jahre 2030. Die derzeit zugelassene Anzahl der E-Autos von 220.000 derzeit soll demnach auf zehn Millionen steigen. Allerdings weiß auch die Bundesregierung, dass die Aufstockung der Fahrzeuge allein nicht reichen wird, sie stellt selbst fest: „Wer sein E-Auto nicht laden kann, wird sich keins kaufen.“

Aus diesem Grund sieht der erwähnte Plan eine enorme Ausweitung des Ladepunktenetzes vor, aus 21.100 in 2019 sollen innerhalb von elf Jahren mindestens eine Millionen Ladesäulen werden. Besonders betont wird in diesem Zusammenhang die öffentliche Zugänglichkeit, die in der vergangenen Woche auch gesondert im Bundestag diskutiert wurde. Konkret geht es um das von der Bundesregierung eingebrachte Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz – kurz GEIG – das besonders die Ausweitung privater Lademöglichkeiten in den Blick nimmt. Mit diesem soll Bürgerinnen und Bürgern verstärkt das Laden auf Parkplätzen von Mehrparteienhäusern sowie an Arbeitsplätzen und Supermärkten ermöglicht werden. Doch auch andere Teilaspekte des Gesetzesvorhabens wurden herausgestellt. Speziell wurde immer wieder auf Änderungsvorschläge des Bundesrates eingegangen. Das alles wird im Recap der dieswöchigen Sitzung im Bundestag zusammengefasst.

Zuerst ergriff Unions-Politiker Dr. Andreas Lenz das Wort und präsentierte sich als großer Verfechter des Gesetzesvorhabens und pries es als gemeinsamen Erfolg der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD an. Er stellte heraus, dass schon vor der Abwicklung des GEIG viel erreicht worden sei. So sei schon der Umweltbonus für Elektroautos bis 2025 verlängert worden, ebenfalls wurde bereits ein grobes Programm für den generellen Ausbau der Ladesäulen auf den Weg gebracht. Das diskutierte Gesetz sei nun ein weiterer Akzent auf dem Weg in eine umweltfreundlichere Zukunft. Lenz betonte die starke Orientierung an den europäischen Richtlinien zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, die beispielsweise darin resultiert, dass beim Bau neuer Wohngebäude mit mindestens fünf Pkw-Stellplätzen die Ladeinfrastruktur stets mitberücksichtigt werden müsse. Gleichzeitig sollten Gesamtmieten der betroffenen Häuser und Wohnungen nicht ansteigen, sodass die Regelungen den Verbrauchenden voll zugute kämen. Zusätzlich zu den genannten Argumenten nahm Lenz den Quartiersansatz stark in den Blick, der unter anderem vom Bundesrat gefordert worden sei. Dieser beschreibt eine großflächige Sanierung der Ladeinfrastruktur, die mit sinkenden Kosten und größerer technischer Möglichkeiten verknüpft ist. Mit den beschriebenen Maßnahmen sei das GEIG „nicht mehr, aber auch nicht weniger“ als ein Baustein zum Ausbau der Elektromobilität in Deutschland.

Kritik an dem entworfenen Vorhaben übte im Anschluss Marc Bernhard von der AfD. Er warf den Verantwortlichen zum einen vor, die Kosten für die Umsetzung zu niedrig kalkuliert zu haben. Das Geld, das für die Ladesäulen an sich, aber auch für das Verlegen der Stromleitungen und der Deckung des Verwaltungsaufwands nötig sei, führe zwangsläufig zu einer Erhöhung der Mieten für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Zum anderen ignoriere die Bundesregierung den aktuellen Zustand des Stromnetzes, das die Mengen für die angestrebten zehn Millionen Elektroautos schlicht nicht liefern könne. Zur Unterstreichung nutzte er ein Beispiel: Bei der heutigen Beschaffenheit der Stromkapazitäten würden bereits fünf Millionen Autos für paralleles zehnstündiges Laden den gesamten zur Verfügung stehenden Strom benötigen. Er fragte sich daraufhin, wie das geleistet werden solle, wenn Deutschland „gleichzeitig noch alle Kohle- und Kernkraftwerke abschalten“ wolle. Nicht nur sei damit eine Stromversorgung nicht gewährleistet, ebenso vernichte die Elektromobilität etliche Arbeitsplätze in der gesamten Automobilindustrie. Schon heute verlegten laut Bernhard viele große Unternehmen ihre Hauptstandorte in andere Länder, wie England oder China. Abschließend forderte er daher alternativ zu dem Gesetzentwurf eine Änderung der Strategie, orientiert an Beispielen wie Schweden oder Österreich, die den CO²-Ausstoß ohne technischen Umbau um bis zu 65 Prozent senken werden.

Unterstützung erhielt Bernhard an späterer Stelle vom Redner der FDP-Fraktion Dr. Martin Neumann, der der Bundesregierung ebenfalls vorwarf, die Kosten sowie die Auswirkungen auf das Stromnetz außer Acht zu lassen. Das geplante Gesetz zeige einerseits keinerlei wirtschaftliche Effizienz auf, sondern bewirke, dass die Bürgerinnen und Bürger „durch unnötige Kosten vergrault werden“. Insgesamt müsse den Menschen die Freiheit gegeben werden, selbst zu entscheiden, welche Art des Antriebs sie nutzen möchten. Andererseits seien die Stromnetze in Deutschland als eine „black box“ anzusehen, da nicht einmal die Bundesregierung selbst über die aktuellen Zustände Bescheid wisse. Zusammenfassend forderte er vorsichtigere Handlungen, die sowohl finanzielle als auch sicherheitstechnische Aspekte stärker überprüfen. Für den Moment könne Neumann so nur plakativ konstatieren: „GEIG – Sie haben es vergeigt!“.

Andreas Rimkus von der SPD wiederum unterstrich zu einem großen Teil die Aussagen des Kollegen Lenz, indem er eine deutliche Verbesserung des Gesetzesvorhabens im Vergleich zum ersten Entwurf erkannte. Da die Elektromobilität zweifelsohne die „wichtigste Stütze für die Verkehrswende“ darstelle, seien große Teile des GEIG absolut sinnvoll. Als Beispiele nannte er einen eingebauten Ausgleichsmechanismus zwischen Standorten mit verschiedenem Bedarf oder den starken Zusammenhang zwischen Neubau von Wohngebäuden und der Leitungsinfrastruktur. Dennoch sei aus seiner Sicht mehr drin gewesen: Ein von der SPD entwickeltes Diskussionspapier aus dem Frühjahr 2020 habe Automobilkonzerne, Energielieferanten und Handelsvertreter:innen hinter dem Vorhaben versammelt, höhere Ambitionen zu verfolgen. So hätten unter anderem intelligentere und flexiblere Ladekonzepte ausgearbeitet werden können, die die Kosten noch geringer gehalten hätten. Da dieses Vorhaben durch die CDU/CSU nicht unterstützt wurde, sei eine baldige neuerliche Evaluierung der getroffenen Regelungen notwendig.

Einige neue Aspekte brachten im weiteren Verlauf die Verantwortlichen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ein. Linken-Politiker Thomas Lutze nannte das Vorhaben zwar in den Grundzügen nachvollziehbar, erkannte allerdings auch etliche Haken. Als Erstes berücksichtige das Gesetz nicht ausreichend, dass viele Menschen generell keine Autos benutzten. Es sei jedoch absehbar, dass sich die Kosten für den geplanten Ausbau der Ladeinfrastruktur auf alle Mieterinnen und Mieter aufteile, auch wenn nur einige davon profitieren würden. Es sei auch dann noch der falsche Ansatz, wenn als Zweites die Steigerung der Kosten – wie vom Wirtschaftsministerium angegeben – höchstens niedrig ausfallen sollte, da für bestimmte Menschen bereits eine kleine Erhöhung existenzgefährdend sein könne. Daher müsse trotz wachsender benötigter Gesamtmenge neben den Mietkosten auch der Strompreis konstant bleiben. Alles in allem müsse sichergestellt werden, dass alle Verbrauchenden vollends von einer solchen Verbesserung der Infrastruktur profitierten.

Für Daniela Wagner von den Grünen stehe der schleppende Verlauf des Gesetzentwurfs sinnbildlich für den Umgang der Großen Koalition mit der Energiewende, Deutschland gehöre mit dem GEIG „einmal mehr zu den letzten Mitgliedstaaten […], die EU-Recht im Hinblick auf Klimaschutz umsetzen“. Schon jetzt sei das Ladenetz für Elektroautos in anderen EU-Ländern wie den Niederlanden deutlich weiterentwickelt, weil die Bundesregierung es nicht geschafft habe, dieses Thema frühzeitig „von der Sackgasse auf die Überholspur zu holen“. Aus diesem Grund sei nun eine Ladeoffensive notwendig, die allerdings durch das diskutierte Vorhaben gestartet werde. Gerade unter Berücksichtigung der geplanten Langfristigkeit des Ausbaus hätten allerdings auch umfassendere Maßnahmen getroffen werden können, beispielsweise sei eine stärkere Ausweitung des Netzes an Arbeitsplätzen und Universitäten wünschenswert gewesen. 

Zum Ende der Debatte durften noch einmal Abgeordnete der CDU/CSU- und der SPD-Fraktionen auf die Argumente der anderen Rednerinnen und Redner eingehen. Sowohl Christian Hirte als auch Klaus Mindrup verteidigten den Gesetzesentwurf als sinnvollen Abschluss der internen und externen Verhandlungen und bescheinigten der Bundesregierung Technologieoffenheit. 

Die Positionen der einzelnen Fraktionen wurden auch in der abschließenden Abstimmung deutlich: Der Gesetzesentwurf wurde bei Ablehnung der AfD und Enthaltung von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Der Weg in eine umweltfreundlichere Zukunft des Fahrens ist also vollends auf Elektromobilität gepflastert.