In nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen hat die Digitalisierung bereits seit einigen Jahren weltweit Einzug gehalten. Davon kann sich auch der Verkehrssektor nicht freisprechen, neue Technologien werden entwickelt, das Fahrerlebnis für die Bürgerinnen und Bürger soll fortlaufend gemütlicher werden. Neben der Verbesserung des eigenen Fahrerlebnisses durch Elemente des autonomen Fahrens gilt das zu einem großen Teil ebenfalls für den Aspekt der Personenbeförderung. Vor nunmehr zwölf Jahren stieg der Onlineanbieter Uber in den Markt ein und warb besonders mit einfachem Zugang und einer günstigen Plattform. Einfacher und günstiger als das Taxi, das bis dahin quasi alternativlos von den Menschen genutzt wurde, die schnellstmöglich von Punkt A zu Punkt B gelangen mussten. Doch auf einmal war Uber da, zuerst in den USA, mittlerweile ist das Unternehmen international von Brasilien über Südafrika bis Australien verbreitet. Mit dem eigenen Smartphone bedient und anhand des eigenen Standortes auffindbar, hat sich Uber zu einer beliebten Alternative zum Taxi und so zu einem börsendotierten Unternehmen entwickelt, das 2019 13 Milliarden US-Dollar erwirtschaften konnte. Die Vorteile für Kundinnen und Kunden liegen dabei auf der Hand: kurze Wartezeiten, moderne Zahlungsweisen und tatsächlich niedrigere Preise.

Entgegen vieler Vermutungen ist Uber auch in Deutschland in sieben Städten aktiv, allerdings nicht ohne sich häufig massiver Kritik ausgesetzt zu sehen. Schon im Jahre 2014 galt das Angebot des US-Konzerns als ein Wirken in rechtlichen Grauzonen, viele Taxibetriebe klagten gegen das Unternehmen. 

Der Hintergrund ist, dass das Taxigewerbe in Deutschland reguliert wird. Als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs gelten erst einmal nur Taxis, damit verbunden sind Privilegien, wie das Parken vor Bahnhöfen, aber auch Verpflichtungen wie die permanente Aufrechterhaltung ihrer Dienstleistungen. Ebenso werden die Preise für Taxifahrten sowie die Anzahl an eingesetzten Fahrzeugen zentral, also vonseiten der Kommunen, bestimmt. Finanziell werden Taxiunternehmen zusätzlich durch Steuervergünstigungen unterstützt, es werden zum Beispiel nur sieben anstatt der üblichen 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. 

Rechtsexperten halten daher das Geschäftsmodell von Uber nicht mit dem aktuellen deutschen Recht vereinbar, da es „eine gewerbliche Personenförderung ohne Genehmigung“ anbiete. Schon seit Längerem scheint es also an der Zeit zu sein, dass sich die Politik dieses Themas annimmt, um Licht in das graue Gewerbe zu bringen und das Thema Personenbeförderungsrecht aus einer modernen Perspektive zu beleuchten. Diese Modernisierung sollte letzte Woche im Bundestag geschehen, mitbedacht wurden auch Mietwagen- und Pooling-Angebote. Diskutiert wurde über den Antrag der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD mit jeweiligen Anträgen von den Fraktionen Die Linke, FDP und AfD. Setzen wir also demnächst stärker auf private Dienstleister und Mietwagen statt auf das klassische Taxi? Das erfahrt ihr in diesem Recap.

Die CDU/CSU-Fraktion durfte sich mit gleich vier Rednern an der Diskussion beteiligen, einer von ihnen war Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Den Anfang machte allerdings Alois Reiner, der das Gesetzesvorhaben als eines der bedeutendsten Initiativen im Verkehrsbereich in der bald endenden Legislaturperiode bezeichnete. Die von der Findungskommission über zwei Jahre ausgearbeitete Lösung sei eine Reform, die „Innovationen ermöglicht und Bewährtes erhält“, da bisherige Akteure keine Wettbewerbsnachteile erfahren sollten. Vielmehr sei es weiterhin allein den Taxis vorenthalten, Kundinnen und Kunden spontan einzusammeln, der „Wink- und Wartemarkt“ wird also für andere Dienstleister nicht freigeschaltet.

Als zentrale Neuerung stellte der Abgeordnete das Pooling als neue Mobilitätsform heraus, dem endlich eine rechtliche Grundlage gegeben wird. Bisher waren diese Dienste auf Ausnahmeregelungen angewiesen, das hätte auf lange Sicht viele Unternehmen aus dem Markt verdrängt. Eine essentielle Komponente des sogenannten PBefG ist zudem die Rückkehrpflicht für auftragslose Fahrzeuge im Bereich des Mietwagengewerbes. Diese müssen, anders als Taxis, nach einer vollendeten Fahrt an einen gesammelten Ort zurückkehren und können nicht direkt neue Fahrgäste einsammeln, eine Maßnahme, die sowohl von großen Firmen als auch von der EU kritisch gesehen wird. Reiner stellte in diesem Zusammenhang besonders die Möglichkeit heraus, mehrere Abstellorte für die betroffenen Fahrzeuge festzulegen, um eine höhere Flexibilität zu gewährleisten. 

Zum Abschluss seines Beitrags betonte der CSU-Politiker, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher vollends von dem Gesetz profitieren würden, unabhängig vom Wohnort.

Andreas Scheuer schlug in die gleiche Kerbe und erkannte in dem Vorhaben einen Durchbruch für ein Projekt mit innovationsfreundlichem Rechtsrahmen. In der Zukunft sei der Fokus vor allem auf die weitere Digitalisierung des Gewerbes zu legen, das aus einem „modernen Mobilitätsmix“ bestehen solle. Auch die weiteren Redner der Fraktion, Michael Donth und Ulrich Lange, konnten dem Gesetz vor allem Positives abgewinnen. Nichtsdestotrotz seien weitere Schritte – wie eine aktualisierte Mobilitätsdatenverordnung – notwendig, um die beschlossenen Schritte möglichst effektiv umsetzen zu können.

Gegenwind für den Entwurf gab es von beiden Rednern der AfD-Fraktion, die in dem Kompromiss zwischen den beteiligten Verantwortlichen vor allem „politische Feigheit“ erkennen konnten. Moniert wurde beispielsweise von Dr. Dirk Spaniel, dass der Bund Verantwortung in zu hohem Maße an die Kommunen abschieben wolle, die nur theoretisch von der Bundesregierung unterstützt werden würden. Eine ausgeglichene Lösung zum wirtschaftlichen Schutz des Taxigewerbes und der Machbarkeit des Aufkommens neuer Angebote sei nicht geschaffen worden, stattdessen würde eine eingeschränkte Angebotsvielfalt erreicht werden, die einer Einflussnahme zu DDR-Zeiten nahekäme.

Konkret hätte die AfD sich verschiedene Verbesserungsvorschläge gewünscht, die allerdings allesamt von den führenden Fraktionen nicht berücksichtigt worden seien. Bei diesen Wünschen stechen besonders die Kopplung des Erwerbs des Personenbeförderungsscheins an bestimmte Deutschkenntnisse (Sprachniveau B1) oder das Streichen der Rückkehrpflicht aus ökologischen Gründen heraus. Zudem sei die Senkung des Steuersatzes auf sieben Prozent für alle Beförderungsleistungen anzustreben gewesen. Beide Redner erkannten in dem diskutierten Entwurf abschließend die Abschreibung des ländlichen Raums vonseiten der CDU/CSU und prognostizierten eine Erneuerung des PBefG in der kommenden Wahlperiode.

Die SPD als zweite Antragstellerin bei der Modernisierung der Personenbeförderung wiederum sprang der CDU zur Seite, indem auch sie besonders die positiven Aspekte des Gesetzes deutlich machte. Als „Grundgesetz der Personenbeförderung“ sei die Novelle notwendig gewesen, das Ergebnis könne sich sehen lassen. Aufgrund neuer Erkenntnisse in Bereichen des Umweltschutzes und der Digitalisierung müssten die verkehrspolitischen Möglichkeiten völlig neu gedacht werden. Zusätzlich hätten sich in der Vergangenheit unregulierte Angebote entwickelt, die das traditionelle Gewerbe bedrohten. Diese würden nun gesetzlich reguliert werden, um negativen Effekten für ÖPNV, Taxiunternehmen und deren Beschäftigte entgegenzusteuern. Dazu zählten speziell Preisdumping und eine Aufweichung der Sozialstandards, die durch das Gesetz wieder verstärkt in den Blick genommen würden. Dennoch hätte sich die SPD von ihrem Regierungspartner CDU/CSU klarere Formulierungen im Bereich dieser Standards gewünscht. Aus diesem Grund sei das Gesetz als eine Art Grundstein für eine lebenswerte Zukunft zu sehen, insgesamt gelte trotzdem: „Nach der Novelle ist vor der Novelle.“

Eine Anpassung der Personenbeförderung auf ein digitales Zeitalter könne die FDP jedoch nicht erkennen, betonte der Abgeordnete Torsten Herbst direkt zu Beginn. Das Gesetz atme eher den Geist, der „das Faxgerät in deutschen Amtsstuben am Leben erhält“. In seinen Augen sei der Entwurf überbürokratisiert, er zementiere Besitzstände und unterdrücke Innovationen, Deutschland verpasse es somit, als Digitalstandort zu europäischen Vorreitern aufzusteigen. Der große Verlierer sei dabei aber besonders der Verbraucher, der durch dieses Gesetz zumeist nicht den Anreiz sehen sollte, „das Auto auch mal stehen zu lassen“. Die Rückkehrpflicht stelle die größte Hürde zu einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Lösung dar, da der Verbraucher erstens für den doppelten Weg zahlen müsse und zweitens tausende unnötige Fahrten entstehen würden. Für die Aufrechterhaltung dieser Komponente kritisierte die FDP besonders die Grünen, die bereits im Voraus klarstellten, dass sie dem Entwurf zustimmen wollten. Auch aufgrund fehlender digitaler Möglichkeiten sei das Vorhaben der Bundesregierung rückwärtsgewandt und erhalte keine Zustimmung vonseiten der FDP.

Die Linke positionierte sich ebenfalls deutlich gegen das diskutierte Gesetz. Es würde laut der Fraktion die Aufmerksamkeit auf die falschen Aspekte legen, es bräuchte zu der heutigen Zeit mehr finanzielle und personelle Unterstützung für den Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. Nur durch staatliche Betriebe sei eine Mobilitätsgarantie für alle zu erreichen. Stattdessen würden ebenjene Unternehmen und deren Angestellte weiter geschwächt, da Sozialstandards nicht zielführend in den Blick genommen würden, um beispielsweise eine Sicherheit der Beschäftigten bei Betreiberwechsel festzuzurren. Die Bundesregierung habe sich mit dem Gesetz dafür entschieden, ein System, das effektiv laufe, zu zerstören und durch Dienste zu ersetzen, die „Teil des wilden Westens“ seien. Durch eine stärkere Etablierung von Anbietern wie Uber und Co. würde eine weitere Tür für prekäre Arbeitsverhältnisse geöffnet werden. Gepaart mit fragwürdigen Entscheidungen in Bezug auf den Umweltschutz sei der Entwurf ein „soziales und ökologisches Armutszeugnis“.

Abschließend kam die Fraktion Bündnis90/Die Grünen zu Wort, die – wie bereits erwähnt – am Ende der Diskussion für das Gesetzesvorhaben stimmen sollten. Stefan Gelbhaar erkannte in diesem einen „tragfähigen Kompromiss“, der Unternehmen wie Uber von nun an strenger kontrollieren könne. Das Aufkommen verschiedener Anbieter würde durch Anti-Dumping-Regeln nicht zu einem Wettbieten um die günstigsten Preise führen, könne aber den Verbraucherinnen und Verbrauchern als Ergänzung zu den klassischen Modellen wie Taxi und ÖPNV dienlich sein. Als langfristiges Ziel der Novelle nannte der Grünen-Politiker eine steigende Mobilität bei sinkendem Verkehr und die Etablierung starker Konkurrenz für das eigene Auto.

Ähnlich wie die SPD sieht auch die Fraktion der Grünen weitere Schritte als notwendig an: Es müsse beispielsweise sichergestellt werden, dass die verschärften Sozialstandards in den Kommunen tatsächlich umgesetzt werden würden. Falls sich in diesem Bereich Defizite zeigen sollten, müsse das Gesetz auf Bundesebene angepasst werden. Dennoch sei der Entwurf ein Schritt in die richtige Richtung.

Zusammenfassend kann für die Bundestagsdebatte festgestellt werden, dass äußerst häufig von dem Begriff „Kompromiss“ die Rede war. Die zu Beginn erwähnte Findungskommission aus den verschiedenen Bundestagsfraktionen sowie aus Teilnehmenden der Länder scheint also während der Verhandlungen nicht wirklich auf einen gemeinsamen Nenner gekommen zu sein. Besonders die Zustimmung der Grünen in Bezug auf die Rückkehrpflicht mutet erst einmal fragwürdig an, es kann zumindest bezweifelt werden, ob hier die ökologisch sinnvollste Lösung gefunden wurde. 

Für den Moment wurde der Entwurf von CDU/CSU und SPD von eben diesen Fraktionen und den Grünen angenommen, alle weiteren Anträge wurden in der Folge abgelehnt. Insgesamt war allerdings aus vielen Reden herauszuhören, dass eine Nachverhandlung des Gesetzesvorhabens keinesfalls ausgeschlossen wird. Es könnte also eine Art Probezeit für die Maßnahmen bis zum Ende der Legislaturperiode werden. Abhängig vom Vorsitz des Bundesverkehrsministeriums nach der Bundestagswahl im September könnte hier also eher früher als später nachgebessert werden.