Warum fehlt es immer noch an einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen, obwohl es uns in Sachen Klimaschutz erwiesenermaßen nach vorne bringen und eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eine Einführung unterstützen würde? Warum liefert die Bundesregierung immer noch Waffen in dubiose Drittländer wie Saudi-Arabien, obwohl diese damit möglicherweise kriegerische Handlungen vollziehen? Das sind nur zwei von etlichen Fragen, die zeigen, dass die Handlungen der Bundesregierung häufig dem widersprechen, was nach außen als Grundpfeiler der deutschen Politik proklamiert wird. Grund dafür ist in vielen Fällen der Lobbyismus – Unternehmen, Verbände oder andere Organisationen nehmen Einfluss auf politische Entscheidungs- oder Gesetzgebungsprozesse, indem sie ihre Interessen von gewählten Volksvertreterinnen und -vertretern durchsetzen lassen.

Ohne Zweifel, dahinter steht ein sehr komplizierter und undurchsichtiger Prozess, denn die Grenze zwischen legitimer Einflussnahme und moralisch grenzwertigen Machenschaften im Hintergrund sind fließend.  Während das Durchsetzen unternehmerischer Interessen in der Politik im Allgemeinen durch etliche Grundgesetzartikel abgesichert ist, gibt es in den vergangenen Jahren immer wieder Fälle, in denen der Lobbyismus eher den Begriff Korruption verdient. Das aktuellste und prominente Beispiel für einen solchen Verdacht liefert die sogenannte Maskenaffäre, die gleich mehrere Opfer innerhalb der Union gefordert und die Umfrageergebnisse der CDU/CSU-Fraktionen deutlich nach unten katapultiert hat. Dabei zeigt besonders die Personalie Alfred Sauter, dass die Verbindung von Politik und Wirtschaft oftmals offen ausgetragen wird. Der CSU-Politiker beispielsweise „hat gern mal durchblicken lassen, dass er Politik nur als Nebenbeschäftigung betreibt“, eben weil er mit seiner Haupttätigkeit als Anwalt das höhere Einkommen einstreichen könnte. Besonders problematisch wird es aber, wenn Abgeordnete des Deutschen Bundestags nicht nur wirtschaftliche Perspektiven über politische stellen, sondern mit der eigenen Stellung in der Wirtschaft politische Interessen durchsetzen – beispielsweise durch finanzielle Vergütung oder persönliche Kontakte zu Parteifreundinnen und Parteifreunden.

Die Verantwortlichen in der Maskenaffäre sind da nur ein Beispiel, weitere sind schnell und auch parteiübergreifend zu finden. Dennoch zeigen sie immer wieder aufs Neue, dass außenstehende Bürgerinnen und Bürger nur wenig darüber wissen, was Abgeordnete im Bundestag und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinter den Kulissen treiben – eine Intransparenz, die vielen Deutschen ein Dorn im Auge ist. Dagegen soll nun vorgegangen werden, denn die Parteien des Deutschen Bundestages haben kürzlich den Entwurf für ein Lobbyregistergesetz diskutiert. Dadurch soll unter anderem eine Registrierungspflicht geschaffen werden, bei der Abgeordnete jede Zusammenarbeit mit Interessensvertrerinnen und -vertretern angeben müssen. Zudem soll es in Zukunft einen Verhaltenskodex geben, der ein ”öffentliches Rügeverfahren bei Verstößen vorsieht”. Neben dem Entwurf der Bundesregierung gab es weitere Anträge der Fraktionen von AfD, Bündnis90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke, die zudem einen Entschließungsantrag zu dem Gesetz einbrachte. Was der Entwurf sonst noch beinhaltet und welche Aspekte möglicherweise fehlen, erfahrt ihr im Recap von dieser Woche.

Der erste Redner in der Bundestagsdebatte war Patrick Schnieder von der Unions-Fraktion. Er monierte zuerst, dass die endgültige Durchsetzung des Gesetzes zu lange gedauert habe, unter anderem auch aus dem Grund, dass das Gesetz fälschlicherweise nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Laut seiner Aussage hatte die Union bereits 2019 die Initiative ergriffen, um ein Lobbyregister einzuführen. Dennoch stellte er am Ende der Beratungen fest: “Ende gut, alles gut – das Ergebnis zählt!”
Nach der Klarstellung, dass Interessensvertretung nicht zwingend etwas Schlechtes sein müsse, präsentierte Schnieder die geplanten Regelungen des Lobbyregistergesetzes: Erstens bestehe vor dem Kontakt zwischen Abgeordneten, Mitarbeitenden und Fraktionen mit Interessensvertreterinnnen und -vertretern die Pflicht, diese Gespräche einzutragen. Auch für die Bundesregierung gelte diese Registrierungspflicht, die ferner genaue Angaben zum finanziellen Aufwand von Wirtschaftsverbänden, Unternehmen oder NGOs umfassen soll. Wenn diese Registrierung nicht erfolgt, sollen in Zukunft Sanktionen verhängt werden können, die eine Höhe von bis zu 50000 Euro erreichen könnten. Laut dem CDU-Politiker seien die Regelungen insgesamt sehr weit gefasst, sodass diese “nicht in aller Einzelheit” ausgeführt werden könnten.
Lieber reagierte er auf die Kritik, die sich schon jetzt von verschiedenen Seiten häufe. Im Fokus der Diskussion stehen dabei Aspekte, die noch mehr Transparenz der Abgeordneten und der Lobbys verlangt hätten, wie zum Beispiel eine absolute Kontakttransparenz oder den exekutiven Fußabdruck, der die Abgeordneten zwänge, den Einfluss einzelner Wirtschaftsverbände auf den Gesetzgebungsprozess offenzulegen. Dies sei größtenteils aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar, das freie Mandat sowie Regelungen im Grundgesetz verböten dies: “Das kann man kritisieren, das muss man auch nicht für richtig halten, aber das sind die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen wir uns bewegen.” Insgesamt, so betonte Schnieder zum Abschluss, sei das gute Gesetz ein Fortschritt im Bereich der Transparenz. Später bekräftigte der Fraktionskollege Michael Frieser die Position Schnieders, indem er grundlegende Kritik am Entwurf als nicht gerechtfertigt bezeichnete. Unter anderem würde die Einführung eines exekutiven Fußabdrucks mit einem “Irrsinn an bürokratischer Verwaltung” einhergehen.

Thomas Seitz, Verantwortlicher der AfD-Fraktion, nahm zu Beginn besonders die Union in den Fokus und unterstrich die Forderung des CSU-Chefs Markus Söder nach einem “scharfen Schwert” im Bereich des Lobbyismus: “Das finden wir gut und offensichtlich ist das bei Ihnen auch notwendig.” In der Folge bemängelte Seitz allerdings verschiedene Aspekte des Entwurfs. Zuerst seien NGOs bei der aktuell geplanten Regelung nicht genau genug in den Blick genommen worden, auch sie müssten in höherem Maße Transparenz über “teilweise verschiedene dubiose Finanzierungsquellen” zeigen. Ein großer Kritikpunkt seitens der AfD war zudem die fehlende Ausweitung der Transparenzregeln in untere Bereiche der Minsterien. So dürften Referentinnen und Referenten in den Ministerien weiterhin frei mit Wirtschaftsvertretenden sprechen, dies sei eine “bewusste und planvolle Einladung zur Umgehung der Bestimmungen”. Weitere Kritik äußerte Seitz an den zahlreichen Ausnahmen, die im Vergleich zum ersten Entwurf sogar noch einmal zugenommen hätten. Auch den fehlenden exekutiven Fußabdruck bemängelte er.
Mit diesem Entwurf, so der Abgeordnete, habe die Koalition die vielleicht letzte Chance bei den Wählerinnen und Wählern vertan, Vertrauen zurückzugewinnen. Das Lobbyregister sei in der geplanten Form “nicht etwa ein scharfes Schwert, sondern allenfalls ein Fischmesser mit stumpfer Klinge”.

Als nächstes kam Dr. Matthias Bartke von der SPD-Fraktion zu Wort und pries den Entwurf als “große Stunde für die deutsche Sozialdemokratie” an. Mit dem nun zu beschließenden Lobbyregister würde eine zehn Jahre alte Forderung der SPD endlich umgesetzt. Im Großen und Ganzen stimmte Bartke der Meinung des CDU-Politikers Schnieder zu, auch er hält das Lobbyregister für ein “wirklich gelungenes Gesetz”. Nachdem er viele der Ausführungen vom Kollegen Schnieder erweiterte – unter anderem mit dem Verweis auf eine öffentliche schwarze Liste, den Entzug des Hausausweises und weitere Strafen für Lobbyistinnen und Lobbyisten, die gegen den Verhaltenskodex verstoßen – ging er besonders auf das sogenannte Regelausnahmeprinzip ein. Unter anderem würden namentlich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände eine Sonderrolle eingeräumt: Sofern sich diese erwiesenermaßen für eine Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einsetzten, seien sie von der Rechenschaftspflicht befreit.
Allerdings, und das sei aus Sicht der SPD ein erheblicher Wermutstropfen, habe seine Partei den exekutiven Fußabdruck in Gesprächen mit dem Koalitionspartner CDU nicht durchsetzen können. Damit zerschlage sich nach Bartkes Worten auch die vergebliche Hoffnung, dass sich die CDU – gerade aufgrund der Geschehnisse der letzten Wochen – zu maximaler Transparenz bekennt. Für die nahe Zukunft stellte der Abgeordnete jedoch in Aussicht, dass die Einführung dieser Maßnahme die erste Amtshandlung des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz würde. SPD-Kollege Wiese forderte zu einem späteren Zeitpunkt der Debatte besonders Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Lobbyismus gegenüber Bürgerinnen und Bürgern.

Auf Bartkes Beitrag folgte der des FDP-Politikers Dr. Marco Buschmann, der schon direkt zu Beginn seinen Emotionen zum Gesetz freien Lauf ließ. Er bezeichnete den Gesetzesentwurf als “löchrig wie ein Schweizer Käse” mit “scheunentorgroßen Ausnahmen”. Konkret bescheinigte er der Bundesregierung eine gewisse Heuchelei, da sie fehlenden Maßnahmen das Grundgesetz als Begründung vorschiebe. Dabei ließen sich viele der Ausnahmen, beispielsweise für Kirchen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, nicht mit Gesetzen begründen, selbst eigene Sachverständige hätten die Begründungen von CDU und SPD im Vorlauf nicht getragen. Abschließend stellte Buschmann die generelle Entschlossenheit der Verantwortlichen infrage. Der Gesetzesentwurf sei nach der Diskussion innerhalb der Bundesregierung lediglich “der kleinste gemeinsame Nenner” gewesen, die Preisung der Fertigstellung stelle “nicht mehr als ein parteipolitisches Manöver” dar. Alles in allem werde das Gesetz somit nicht reichen, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen.

Friedrich Straetmanns von der Fraktion Die Linke hielt zunächst einmal den Inhalt des Gesetzes sowie die Art und Weise des Zustandekommens für bedenklich. Entwürfe zum gleichen Thema wurden laut Straetmanns in den vergangenen Jahren von der Bundesregierung immer wieder “ausgebremst, wo sie nur konnten”. Nun, da Abgeordnete ihre Dienstpflicht zum wiederholten Male verletzt hätten, werde der Vorschlag eines Lobbyregisters erneut hervorgeholt. Dies zeige besonders zwei Dinge: Zum ersten traue die Union der Bevölkerung nicht zu, den “billigen Taschenspielertrick” eines Gesetzes gegen Lobbyismus zu durchschauen, das an den aktuellen Fällen nichts geändert hätte, zu durchschauen. Zum zweiten sei es ihr schlicht und einfach nicht ernst mit der besseren Kontrolle von Lobbyismus. Das mache er daran fest, dass ein Register ohne exekutiven Fußabdruck nur halb so viel wert sei. Im weiteren Verlauf schloss sich Straetmanns zudem der Meinung der AfD an, dass die Registrierungspflicht an viel zu hoher Stelle ende, obwohl auf Ebene der Referentinnen und Referenten die meisten Gesetze entstünden. Auch zum Thema der Ausnahmen äußerte sich Straetmanns kritisch, vor allem seien die Sanktionen deutlich zu milde, in Bezug auf die Bußgelder für Unternehmen sagte er ironisch: “Für eine solche Summe greift man in der Unionsfraktion ja noch nicht einmal zum Hörer.”

Die Grünen-Politikerin Britta Haßelmann teilte größtenteils die Meinung Straetmanns, das diskutierte Gesetz sei nur als Reaktion auf eine Krisensituation entstanden. Generell werfe das für sie die Frage auf, warum die Koalition nur handlungsfähig sei, “wenn Druck im Kessel ist”. Mit Blick auf den Entwurf, der in das Thema trotz des öffentlichen Drucks nur minimale Bewegung bringe, verurteilte sie besonders das Verhalten des einstigen Koalitionspartners, der SPD. Die hätte die missliche Lage für CDU und CSU stärker nutzen müssen, um Zugeständnisse zu erwirken. Stattdessen trauere sie beispielsweise dem fehlenden exekutiven Fußabdruck hinterher, anstatt weiter darüber zu verhandeln.

Bevor zum Schluss noch einmal Vertreter der Koalition aus CDU/CSU und SPD zu Wort kommen durften, brachte Marco Bülow als fraktionsloser Abgeordnete seine Positionen zum Lobbyregister zum Ausdruck. Er warf der Union zuerst vor, nicht zu verstehen, warum ein Lobbyregister überhaupt notwendig sei. Lobbyismus werde in der Außendarstellung zu oft gleichgesetzt mit Recht auf Einfluss von Bürgerinnen und Bürgern. In Wahrheit bestehe aber eine enorme “Waffenungleichheit”, da große wirtschaftlich ausgerichtete Verbände häufig über deutlich größere finanzielle Mittel verfügten als Initiativen oder kleine Vereine. Der dahinterstehende Profitlobbyismus müsse laut Bülow radikal bekämpft werden. Am Ende seines Beitrags stellte er noch einmal das lediglich reaktiv ausgerichtete Verhalten der Bundesregierung heraus, der Koalitionsvertrag habe die Pläne eines Lobbyregisters nie beinhaltet.

Am Ende der Debatte wurde der Entwurf zum Lobbyregistergesetz mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD angenommen, die AfD stimmte gegen den Antrag, die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und die FDP enthielten sich.
Insgesamt wurde zum Lobbyregistergesetz eine hitzige Debatte im Bundestag geführt, immer wieder gab es Zwischenrufe und persönliche Angriffe. Von der Opposition wurden besonders die Vorwürfe laut, dass die Bundesregierung das Thema Lobbyismus zu oft auf die lange Bank geschoben habe und nun als Reaktion auf kurzfristige Krisen innerhalb der Großen Koalition tätig werden müssten. Aber auch das Gesetz an sich scheint einige Lücken zu beinhalten, die die begründete Vermutung zulassen, dass der Lobbyismus in Deutschland nicht transparent genug gemacht wird. Darauf lässt zum Beispiel der fehlende exekutive Fußabdruck schließen.
Diese fehlende Transparenz ist besonders aus zwei Blickwinkeln bedenklich. Erstens scheint die Politik nicht bereit zu sein, mit ihren Bürgerinnen und Bürgern insofern zu kooperieren, als dass maximales Vertrauen aufgebaut werden kann. Während die Bevölkerung in Deutschland beispielsweise verschiedenste Dinge in einem Melderegister beim Einwohnermeldeamt dokumentieren muss, herrscht über die Mechanismen der alltäglichen Politik weiterhin große Unklarheit. Im Prinzip bleibt bei der Zusammenarbeit unserer gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter ein großes Fragezeichen, welches auch durch den nun beschlossenen Antrag nicht vollends abgebaut wird. Zweitens entsteht immer wieder der Eindruck in der Bevölkerung, dass die Interessen von Lobbys stärker gewichtet wird als die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Das beste Beispiel für diese Annahme ist die aktuelle Corona-Politik der Bundesregierung, die sich zurzeit in einer Art Schlangenlinienkurs zu befinden scheint. Unter anderem wurden in den letzten Wochen trotz stark steigender Neuinfektionszahlen Öffnungsschritte vor allem im wirtschaftlichen Bereich eingeleitet – und das trotz abweichender Mehrheitsmeinung der Bevölkerung – jedoch unter wachsendem Druck einflussreicher Wirtschaftsverbände. Auch wenn das keine gesicherte Aussage ist – die Wirtschaft nimmt zumindest in vielen Bereichen eine Sonderrolle bei der Corona-Politik ein. Ein Grund dafür könnte der massive Einfluss wirtschaftsnaher Lobbyarbeit sein.
Jedenfalls gilt es als sicher, dass die Geschichte der Debatte um stärkere Transparenz beim Thema Lobbyismus noch nicht zu Ende erzählt ist. Parallel zum beschlossenen Lobbyregistergesetz diskutieren Union und SPD über strengere Kontrollen von Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Wir bleiben also am Ball und werden dieses Thema mit Sicherheit in der Zukunft weiter beleuchten.