Am vergangenen Donnerstag, als im Bundestag der von Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Gesetzesentwurf für ein Cannabiskontrollgesetz diskutiert wurde, schien Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki mit den Gedanken schon bei seiner Abendgestaltung gewesen zu sein. Denn die Zeit zwischen den Redebeiträgen nutzte er unter anderem zum Austausch mit Abgeordneten aus dem Plenum zu immer dem gleichen Thema: „Es gibt auch noch andere Möglichkeiten außer Bier und Cannabis” oder „es gibt nicht nur Bier sondern auch Wein”. Nachdem Gero Storjohann von der CDU ihn nach einem Versprecher scherzend fragte, ob er etwas genommen habe, empfahl Kubicki schließlich seinem Parteikollegen Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) die „schöne Scheurebe aus Alsheim”.

Tatsächlich fand um diese Weinwerbespots aber auch noch eine hitzige Debatte statt, nach welcher der Gesetzesentwurf nur Zustimmung von seiner Urheberfraktion und Die Linke fand. Zwar befürworten FDP und SPD die grundsätzliche Richtung, beide wollen aber zunächst Modellprojekte initiieren. Darüber hinaus sollte aus Sicht der FDP auch die gentechnische Herstellung von Cannabis möglich sein, was der Entwurf nicht vorsieht, und die SPD will den Eigenanbau aus Jugendschutzgründen im Gegensatz zu den Grünen nicht zulassen. Sie bekennt sich außerdem zur „Koalitionsdisziplin”, so der sozialdemokratische Abgeordnete Dirk Heidenblut.

Nichts desto trotz sehen FDP, Grüne, Linke und SPD die bisherige Verbotspolitik geschlossen als gescheitert an. In den Redebeiträgen aus diesen Fraktionen kamen einige gängige Argumente wiederholt auf, beispielsweise die Gefahren des Schwarzmarktes. Durch Hinzufügen von anderen Stoffen wie Blei oder Haarspray, um das Gewicht künstlich zu erhöhen und über den Preis pro Gramm zu profitieren, wäre der Konsum hier weitaus gesundheitsschädlicher. Durch eine Legalisierung könne man die Qualität besser kontrollieren, auch der Jugendschutz wäre einfacher zu gewährleisten. Sie würde außerdem zu mehr Steuereinnahmen und weniger Ausgaben in der Strafverfolgung führen, Mittel, die wiederum direkt in Aufklärung, Prävention und Beratung gesteckt werden könnten. Solche Angebote würden bisher, so die SPD-Abgeordnete Martina Stamm-Fibich, aufgrund einer hohen Stigmatisierung durch das Verbot weniger in Anspruch genommen. Außerdem wurde an einigen Stellen auf das weitaus höhere Gesundheitsrisiko des Konsums der legalen Drogen Alkohol und Tabak hingewiesen.

Diesen Vergleich lehnen die Redner der Union und AfD hingegen ab, da er nichts an der von Cannabis ausgehenden Gefahr ändere. Sie betonten besonders die Risiken für Jugendliche, von Beeinträchtigung des Gehirns über Herzkreislauferkrankungen bis zu Psychosen. Natürlich durfte auch das Argument der Einstiegsdroge nicht fehlen, aber dazu später mehr. Stefan Pilsinger (CSU) fügte hinzu, es gebe schon genug Leute, die mit Abhängigkeit von legalen Drogen zu kämpfen hätten. Laut ihm sollte das Ziel daher sein, den gefährlichen Konsum legaler sowie illegaler Substanzen zu reduzieren. Er befürwortet ausschließlich den bereits erlaubten medizinischen Gebrauch von Cannabis. Sein Fraktionskollege Gero Storjohann befürchtet eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr durch mehr Konsum nach der Legalisierung.

Detlev Spangenberg (AfD) kritisierte eine Altersbegrenzung auf 18 Jahre als unzureichend, da auch junge Erwachsene Langzeitschäden davontragen könnten. Er versuchte zudem, den oben erläuterten Aspekt der Qualitätssicherung zu entkräften. Denn nach dieser Logik müsse man ja alle Drogen legalisieren. Während dieses Eigentor zu einer Fußballmetapher einlädt, glich die Debatte im weiteren Verlauf eher einer Partie Völkerball. Denn einige Argumente wurden von der jeweiligen Gegenposition aufgegriffen und der anderen Seite gleich wieder an den Kopf geworfen.

So stoß Spangenbergs Aussage, eine Legalisierung würde es Eltern erschweren, den Drogenkonsum ihrer Kinder zu kontrollieren, bei dem Abgeordneten Heidenblut auf Unverständnis. Schließlich sei der Erwerb auf dem Schwarzmarkt in dieser Situation ebenfalls nicht hilfreich und Dealer würden zudem keine Aufklärungsarbeit leisten. Weiterhin wurde auf beiden Seiten ein Blick über den Atlantik geworfen, Ullmann sieht seinen Geburtsort Kalifornien als Erfolgsbeispiel für die Legalisierung, Pilsinger hingegen Colorado als Beweis für den Anstieg gefährlichen Konsums infolge dieser. Dr. Kirsten Kappert-Gonther verweist stellvertretend für die Grünen auf Kanada, wo der Cannabiskonsum unter Minderjährigen durch die Legalisierung gesunken sei. Alexander Krauß (CDU) sieht das Land hingegen nicht als Vorbild, da hier größtenteils immer noch aufgrund reduzierten Preisen auf dem Schwarzmarkt gekauft werden würde. Beides korrekte Punkte, ein Artikel im Business Insider beschäftigt sich ausführlicher mit dem Beispiel Kanadas.

Zwischen Krauß und Niema Movassat von Die Linke fand eine intensive Auseinandersetzung über Cannabis als Einstiegsdroge statt. Dieses Argument bezeichnete Movassat zunächst in einem Zwischenruf als „Unsinn” und belegte dies in seiner Zwischenfrage mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994. Dort wird der wissenschaftliche Stand wie folgt beschrieben: „Überwiegend abgelehnt wird nunmehr die Auffassung, Cannabis habe eine ‘Schrittmacherfunktion’ auf härtere Drogen hin” (S. 30/61). Krauß hält seine Gespräche mit Angestellten in Drogenkliniken entgegen, laut denen Cannabis am Anfang vieler Biografien von abhängigen Menschen steht. Der Sachse ging auch auf Movassats Aussage ein, trotz des Verbotes gebe es 4 Millionen Cannabiskonsumierende in Deutschland. Dies sei kein gutes Argument für eine Aufhebung des Verbotes, schließlich gebe es auch weiterhin Morde, was tatsächlich selten Anlass für eine Diskussion über die Legalisierung des Tötens ist.

Uli Grötsch von der SPD verurteilte diese Analogie als „ abwegig und abstrus”. Er führte außerdem eines der letzten Pro-Argumente in die Debatte ein, laut Infratest dimap befürworteten nämlich rund 60% der deutschen Bevölkerung im Jahr 2018 zumindest eine Entkriminalisierung von Cannabis. In der DEMOCRACY App stimmten sogar fast 90% für den Gesetzesentwurf der Grünen.